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Verfahrensbeistand

Ein weiterer Datenverarbeiter im Familienprozess unter der Betrachtung des Datenschutzes.

Problemstellung:

Die Politik macht ein Gesetz und das Gericht bestellt einen Verfahrensbeistand. Es überträgt diesem die Aufgabe mit Eltern, Kindern und ggf. weiteren Bezugspersonen zu sprechen. In einer Stellungnahme an das Gericht gibt er nun den Inhalt aller Gespräche (richtig oder falsch) wieder. Fraglich ist, durfte er das?

Relevante Normen:

§ 158 ff. FamFG enthält folgenden Wortlaut:

§ 158 FamFG Bestellung des Verfahrensbeistands

(1) 1Das Gericht hat dem minderjährigen Kind in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, einen fachlich und persönlich geeigneten Verfahrensbeistand zu bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung der Interessen des Kindes erforderlich ist. 2Der Verfahrensbeistand ist so früh wie möglich zu bestellen.

(2) Die Bestellung ist stets erforderlich, wenn eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:

1.           die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs,

2.           der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder

3.           eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

(3) 1Die Bestellung ist in der Regel erforderlich, wenn

1.           das Interesse des Kindes zu dem seiner gesetzlichen Vertreter in erheblichem Gegensatz steht,

2.           eine Trennung des Kindes von der Person erfolgen soll, in deren Obhut es sich befindet,

3.           Verfahren die Herausgabe des Kindes zum Gegenstand haben oder

4.           eine wesentliche Beschränkung des Umgangsrechts in Betracht kommt.

2Sieht das Gericht in den genannten Fällen von der Bestellung eines Verfahrensbeistands ab, ist dies in der Endentscheidung zu begründen.

(4) 1Die Bestellung endet mit der Aufhebung der Bestellung, mit Rechtskraft der das Verfahren abschließenden Entscheidung oder mit dem sonstigen Abschluss des Verfahrens. 2Das Gericht hebt die Bestellung auf, wenn

1.           der Verfahrensbeistand dies beantragt und einer Entlassung keine erheblichen Gründe entgegenstehen oder

2.           die Fortführung des Amtes die Interessen des Kindes gefährden würde.

(5) Die Bestellung eines Verfahrensbeistands oder deren Aufhebung sowie die Ablehnung einer derartigen Maßnahme sind nicht selbständig anfechtbar.


§ 158b FamFG Aufgaben und Rechtsstellung des Verfahrensbeistands

(1) 1Der Verfahrensbeistand hat das Interesse des Kindes festzustellen und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen. 2Er soll zu diesem Zweck auch eine schriftliche Stellungnahme erstatten. 3Der Verfahrensbeistand hat das Kind über Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in geeigneter Weise zu informieren. 4Endet das Verfahren durch Endentscheidung, soll der Verfahrensbeistand den gerichtlichen Beschluss mit dem Kind erörtern.

(2) 1Soweit erforderlich kann das Gericht dem Verfahrensbeistand die Aufgabe übertragen, Gespräche mit den Eltern und weiteren Bezugspersonen des Kindes zu führen sowie am Zustandekommen einer einvernehmlichen Regelung über den Verfahrensgegenstand mitzuwirken. 2Das Gericht hat Art und Umfang der Beauftragung konkret festzulegen und die Beauftragung zu begründen.

(3) 1Der Verfahrensbeistand wird durch seine Bestellung als Beteiligter zum Verfahren hinzugezogen. 2Er kann im Interesse des Kindes Rechtsmittel einlegen. 3Der Verfahrensbeistand ist nicht gesetzlicher Vertreter des Kindes.

Nun stellen sich Fragen mit der Verarbeitung personenbezogener Daten.

So zum Beispiel an die Befugnis, die Gewährleistung der Transparenz, der Integrität und Vertraulichkeit, die Verantwortlichkeit, die Verantwortung für die Einhaltung der Grundsätze usw., weil die Normen keine Regelungen hierzu beinhalten. Wird der VB auch dann vergütet, wenn dieser unberechtigt i.S.d. der Strafvorschriften des § 42 (2) Nr. 1 BDSG personenbezogene Daten verarbeitet?

Darf der VB personenbezogene Daten von Eltern oder Kind verarbeiten?

1. Zur Bestimmung einer Rechtsgrundlage (Art. 6 oder 9 DS-GVO) sind die Datenkategorien zu ermitteln.

a) Fraglich ist also zunächst in welchen Schutzbereich die Daten fallen.

aa) Erhebung aus der Akte:
Daten aus Familienverfahren unterliegen auch hier gem. § 170 Abs. 1 Satz 1 GVG also der höchsten Geheimhaltungsstufe (vgl. Entscheidung des BVerfG vom 15.01.1970, (BVerfGE 27, 344ff); (BVerfGE 24, 119ff). Eine Offenlegung solcher Informationen an jemanden den diese nicht selbst betreffen und die er auch für seine Aufgabe nicht wissen muss, verletzt generell das Geheimhaltungsinteresse und damit die Rechte zum Schutz und zur Vertraulichkeit in erheblicher Weise. Dennoch erhält der Verfahrensbeistand vom Gericht vollen Zugriff auf alle Daten und Informationen aus den Akten der Familienverfahren. Weshalb muss der VB wissen, wer nach der Trennung den gesamten Finanzausgleich wissen, wozu muss ein VB wissen, was in Gutachten steht? Er prüft diese nicht. Wozu benötigt er alle Schriftsätze von Rechtsanwälten ect.? Er soll das Interesse des Kindes feststellen und ins Verfahren einbringen, Punkt.

bb) Die erhobene Datenqualität nach der Aufgabe bei Eltern und Bezugspersonen:
Der VB erhält lediglich die Aufgabe mit Eltern, Dritten auch Bezugspersonen des Kindes Gespräche zu führen. Aus der Aufgabe erbitt sich keine Befugnis. Ohne ausdrückliche Einwilligung oder gar gegen den Willen der Eltern im Kindergarten, bei Lehrern oder bei Nachbarn ausfragen geht hier also nicht. Der Gesetzgeber hat die Datenqualität mit dieser Aufgabe allein auf Hören-Sagen ausgerichtet. Allerdings ist der VB nicht befugt, Zeugen zu vernehmen oder über deren Rechte zu belehren.

cc) Erhebung beim Kind:
Das Kind unterliegt der unwiderlegbaren Unreifevermutung (Geschäftsunfähigkeit) und wird von seinen Eltern vertreten. Eine Aufklärung / Belehrung des Kindes ist generell unwirksam und ohne rechtliche Bedeutung. Die Empfangsbedürftigkeit richtet sich daher immer an die Eltern. Eine Datenerhebung beim Kind erfordert die Einwilligung beider Eltern und besonders bei der von der Offenlegung betroffenen Person – die kann aber muss nicht Eltern sein. Die Datenqualität ist – in Abhängigkeit zum Alter, der Entwicklung, freier Willensbildung usw. – erheblich eingeschränkt. Eine Nachweisführung über die Angaben gem. Art. 5 (2) DS-GVO ist nur audiovisuell möglich. Wg. der Geschäftsunfähigkeit kann das Kind seine Datenschutzrechte nur i.V.m. seinen Eltern wahrnehmen. Ein Ausschluss der Eltern am Gespräch beschränkt die Rechte auf Berichtigung, Löschung und Einschränkung.

    b) Das Schutzniveau unterliegt damit Art. 9 (1) DS-GVO und ist durch die Geheimhaltungsstufe der Familienverfahren gem. § 170 GVG gegeben.

    Risiko (1): Eine Beschränkung, nämlich nur die Daten zu erhalten, sofern es ihn betrifft und seine Aufgabe erforderlich ist, ist im Gesetz nicht vorgesehen. Er erhält damit sämtliche Daten nicht öffentlicher Akten. Der VB (wie auch Ergänzungspfleger, Sachverständige) ist nicht in die Strafrechtsnorm des § 203 StGB übernommen worden, um die Vertraulichkeitskette des § 170 GVG bei VB abschließend zu gewährleisten. Damit wird der VB zur systematischen Sicherheitslücke für die Vertraulichkeit und den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit. Über die Existenz einer internen Verschwiegenheitserklärung ist uns nichts bekannt.

    Risiko (2) Die vom VB erhobenen Daten könnten den Grundsätzen der sachlichen Richtigkeit mithin nicht genügen, da der Gesetzgeber schon die Aufgaben allein auf Hörensagen ausgerichtet hat. Auch eine Nachweispflicht gem. Art. 5 (2) DS-GVO ist bei Hören-Sagen, Gerüchten und Dafürhalten der Dritten – im Hinblick auf die sachliche Richtigkeit, Zweckbindung, Transparenz, Erforderlichkeit nicht zu erbringen. Der Gesetzgeber musste die Datenbasis und Datenqualität (alles Hörensagen) anhand seines Gesetzes abschätzen und hat eine weitere Verarbeitung dieser Daten in der Norm nicht erlaubt.

    2. Befugnisnorm oder Einwilligung

    a) Fraglich ist, ob die Verarbeitung personenbezogener Daten auf einer Rechtsgrundlage oder der Einwilligung beruht.

    Denn um erlaubter Weise personenbezogene Daten zu verarbeiten, bedarf es einer konkreten Rechtsgrundlage mit der die konkrete Verarbeitung personenbezogener Daten erlaubt wird oder eben einer Einwilligung.

    Häufig wird vermutet, der § 158 ff. FamFG sei bereits eine Befugnisnorm. Doch das gibt die Norm an keiner Stelle her. Vielmehr handelt es sich um eine Aufgabenübertragungsnorm. Diese überträgt Aufgaben und gerade keine Befugnisse.

    Auch noch im Rennen, der Verfahrensbeistand würde personenbezogene Daten aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung (Art. 6 (1) lit. c) DS-GVO verarbeiten. Anhand der nationalen Norm wird jedoch deutlich, dass diese gerade keine Pflicht zur Verarbeitung personenbezogener Daten enthält. Für die Feststellung, dass die gesamte Regelung der §§ 158 ff. FamFG das Wort „Pflicht“ überhaupt nicht enthält genügt es bereits, wenn man nur lesen kann.

    Aufgrund der besonderen Datenkategorien des Art. 9 (1) DS-GVO (familiäre Internas und Notlage, Geheimhaltung usw.) käme das Erfordernis einer Regelung aus Art. 9 (2) lit. a) bis lit. j) hinzu.

    Durch die fehlende Geheimhaltungsverpflichtung, des Mangels an einem erheblichen öffentlichen Interesse, lebenswichtiger Interessen, kein Bezug zum Gesundheitswesen, der Forschung und Statistik ferne, auch weil der VB in keine Stiftung, Vereinigung oder sonstige Organisation fällt und der VB auch nicht die zum Arbeitsrecht und dem Recht der sozialen Sicherheit und des Sozialschutzes erwachsenden Rechte ausübt, bleiben nur Art. 9 (2) lit. a) und lit. f) übrig.

    Art. 9 (2) Buchstabe f besteht aus zwei Varianten bzw. Alternativen, sprich (1. Alt.) die Verarbeitung ist zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen oder (2. Alt.) bei Handlungen der Gerichte im Rahmen justizieller Tätigkeit erforderlich,

    Letztlich sind beide Alternativen auszuschließen, weil der VB keine eigenen Rechte am Kind inne hat und auch keine Elternrechte mit der Bestellung übertragen werden und er durch die Bestellung auch nicht zum Teil der Justiz wird.

    Wichtigster Punkt aber, der VB vertritt gem. § 158 b) (3) Satz 3 FamFG nicht das Kind, womit die Rechtsstellung der Eltern von der Bestellung unberührt bleibt. Würde nämlich im Umkehrschluss von einer Befugnis zur Verarbeitung aller Daten aus der übertragenen Aufgabe geschlossen werden, dann wäre jede Bestellung eines VB gleichsam ein sofortiger Entzug der Teilbereiche (informationelle Selbstbestimmung) der elterlichen Verantwortung.

    b) Damit bleibt letztlich nur die Einwilligung gemäß Art. 9 (2) lit. a) DS-GVO als Erlaubnis zur Verarbeitung personenbezogener Daten, (sowohl für Eltern als auch Kind.)

    II. Da es um familiäre -Internas, -Notlage, -Daten unter Geheimhaltung usw. geht, bedarf es einer ausdrücklichen Einwilligung der Eltern, um beim eigenen Kind Daten zu erheben und zu verarbeiten, weshalb Eltern den Verfahrensbeistand nicht mit dem Kind sprechen lassen müssen.

    3. weitere Problemstellungen

    1. Die verschwiegene Rechtsstellung:

    Der VB ist im Datenschutzrecht kein Auftragsverarbeiter, denn er bekommt keinen Auftrag, sondern lediglich eine Aufgabe übertragen. Damit ist der VB Verantwortlicher, auch für die Gewährleistung und Einhaltung des Art. 5 DS-GVO. Er ist also verpflichtet ist die sachliche Richtigkeit zu gewährleisten, Transparenz, durch die Datenschutzerklärung und Informationspflichten zu erbringen (Bringschuld), damit Betroffene in die Lage versetzt werden, weitere Reche Wahnnehmen zu können. Die Auskunfts-, Berichtigungs-, Lösch-, Einschränkungs- Rechte sind ggü. dem VB nicht beschränkt, können und sollten also uneingeschränkt wahrgenommen und durchgesetzt werden.

    Die Verletzung der gesetzlichen Informationspflichten hat immer Rechtsfolgen. Der VB kann gem. Art. 79 DS-GVO zivilrechtlich verklagt werden, wenn ein Betroffener der Ansicht ist, vom VB in seinen Rechten (Auskunft, Berichtigung, Löschung usw.) verletzt worden zu sein.

    2. Schriftliches aber auch Mündliches ist Verarbeiten i.S.d. Art. 4 Nr. 2 DS-GVO.

    § 158 b) Satz 2: „Er soll zu diesem Zweck auch eine schriftliche Stellungnahme erstatten„.

    Soll ist nicht muss und damit keine Pflicht. Und auch personenbezogene Daten sind vom Wortlaut in der Norm nicht abgedeckt und bedingt die Einwilligung. Wir vertreten die Auffassung, dass die Inhalte der mit den Eltern, Kindern oder Bezugspersonen geführten Gespräche der absoluten Geheimhaltung unterliegen und ausschließlich dafür bestimmt sind, hieraus die Interessen des Kindes abzuleiten. Die Geheimhaltung besteht immer solange, bis diese ausdrücklich aufgehoben wird. Der Verrat des anvertrauten, dürfte nicht im Interesse des Kindes liegen. gleich von wem es stammt und verletzt damit immer die Rechte derer, die von der Offenlegung betroffen sind.

    Sollte ein VB Stellungnahmen ohne Freigabe der Betroffenen /Eltern an das Gericht versenden, ist ein Verstoß gegen Art. 5 (1) lit. a) einschlägig, weil dies eine heimliche Verarbeitung darstellt. Das ist per se rechtswidrig, da der Betroffene keiner Möglichkeit hatte die Daten zu löschen oder zu berichtigen. Die Löschung ist dem Gericht im Rahmen der Mitteilungspflichten (Art. 19 DS-GVO) mitzuteilen, womit es den Empfängern nicht erlaubt ist die Daten zu verarbeiten.

    3. Mein Kind oder dein Kind?

    Und nein, der Verfahrensbeistand hat kein Recht auf Herausgabe des Kindes, noch besteht eine Pflicht zur Zuführung des Kindes oder eine Pflicht zur Duldung gegen die Verordnung verstoßende Gespräche. Ein Verstoß mit der Gesprächsführung besteht schon deshalb, weil ein Kind, dass der unwiderlegbaren Unreifevermutung unterliegt, nie wirksam aufgeklärt werden kann.

    Mit einer gesetzlichen Verpflichtung zur Herausgabe, wäre bereits die Bestellung des Verfahrensbeistandes ein Eingriff in die elterliche Verantwortung (ABR), bzw. käme schon eine Bestellung des VB dem Entzug der elterlichen Verantwortung gleich.

    4. Zusammenfassung:

    Die Macher der Normen haben die Grundbasics vom Wesentlichkeitsprinzip verkannt und die halbherzige Norm zur Aufgabenübertragung mit Regelungslücken versehen, mit denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig und systematisch außer acht gelassen worden sind.

    Dem Versuch der Herstellung eines rechtlichen Gehörs des Kindes beruht auf der Datenbasis von Hörensagen, worauf das Kind keinen wirksamen Einfluss haben oder nehmen kann. Daten die richtig oder falsch sein können, schützen nicht stets ein rechtliches Gehör, sondern können dieses gleichermaßen verletzen. Für diese erwartete Datenbasis ist der Eingriff im Rahmen der Dritterhebung nicht zu rechtfertigen und steht dem beabsichtigten Zweck entgegen. Die Risiken für Grundrechte und Grundfreiheiten aller Betroffenen hat die Norm nicht hinreichend Rechnung getragen. Eine Verhältnismäßigkeit ist auch mit der hohen Anzahl der damit ausgelösten Verstöße nicht herzustellen, da diese schon nicht für den Primärzweck geeignet ist.

    Die Politik hat den VB durch die Regelungslücken zum datenschutzrechtlichen Schädiger von Grundrechten und Grundfreiheiten gemacht und damit zum leichten Ziel für Zivilklagen.