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Kommentar: § 30 FamFG datenschutzrechtliche Anfechtung von Beweisbeschlüssen

Kommentar: Datenschutz beim Amtsermittlungsgrundsatz, Freibeweis und förmlicher Beweisaufnahme.
nationale Anwendungsnormen: §§ 26, 27, 29, 30 FamFG, 355 Abs. 2 ZPO
internationale Anwendungsnormen: Artt. 7, 8, 47, 52 GRCH, Art. 5, 6, 9, 21, 23 DS-GVO

Anwendungsfall 1: Die Zulässigkeit der Anfechtbarkeit von Beweisbeschlüssen mit dem Datenschutz

Nach regelmäßiger Rechtsprechung der Fachgerichte (z.B. OLG Celle, Beschluss vom 30.04.2020 – 19 WF 59/20; OLG Frankfurt, Beschluss vom 10. Oktober 2017,-2 WF 247/17 – ZKJ 2018, 109, 110) und sämtlicher Kommentarliteratur unterliegen die nicht selbstständig anfechtbaren Entscheidungen, wie ein Beweisbeschluss, die der Endentscheidung vorausgegangen sind, nach § 58 Abs. 2 FamFG der Überprüfung des Beschwerdegerichts erst im Rahmen einer Inzidentprüfung bei einer zulässigen Beschwerde gegen die Endentscheidung. Zwischenentscheidungen gehen der Endentscheidung voraus, bereiten diese vor und fördern das Verfahren, indem sie zur Schaffung einer hinreichenden Entscheidungsgrundlage bestimmte Ermittlungen anordnen (§ 26 FamFG) oder die Mitwirkungspflicht der Beteiligten konkretisieren (§ 27 FamFG) (Meyer-Holz, a.a.O., § 58 Rdn. 25). Beschlüsse, durch die eine Beweisaufnahme angeordnet wird, sind gemäß §§ 30 Abs. 1 FamFG, 355 Abs. 2 ZPO grundsätzlich nicht anfechtbar, sie können erst im Rahmen des Rechtsmittels gegen die Endentscheidung zur Überprüfung gestellt werden.

Fraglich ist, ob die nationalen Regelungen der §§ 30 Abs. 1 FamFG, 355 Abs. 2 ZPO, wonach  Zwischenentscheidungen, wie ein Beweisbeschluss, grundsätzlich nicht anfechtbar sind bzw. erst bei einer zulässigen Beschwerde gegen die Endentscheidung anfechtbar würden, dem Unionsrecht entsprechen.

Anmerkung: Schon mit Beschluss vom " 
Darum soll nun gehen, ob und welche Möglichkeiten der Abhilfe zur Verfügung stehen.

I. Zulässigkeit

Mit einem Beweisbeschluss im Familienrecht ist stets die Verarbeitung personenbezogener Daten (Art. 7, 8 GRCh) verbunden. Im Zivilprozess müssen Gerichte auch im Rahmen der Beweisaufnahme, die personenbezogene Daten beinhalten, die DSGVO beachten (Urt. v. 02.03.2023 – C-268/21). In Rn. 29 ff. heißt es: „Hierzu ist erstens festzustellen, dass nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. e DSGVO die Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmäßig ist, wenn sie für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde.“ Rn 32: „Hierzu zählen etwa die Aufgaben, die Gerichte im Rahmen ihrer Rechtsprechungsbefugnisse wahrnehmen.“

Bei der Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung im Gerichtsverfahren gem. Art. 6 Abs. 1 lit. e i.V.m. Abs. 3 und 4 DSGVO, sind demnach für die – vom Eingriff betroffenen Person – die im Kapitel III geregelten Rechte zu beachten (Urt. v. 02.03.2023 – C-268/21).

Nach Kapitel III DS-GVO besteht bei einer Verarbeitung gem. Art. 6 (1) lit e) DS-GVO das Widerspruchsrecht gemäß Art. 21 (1) DS-GVO. Art. 21 zählt neben den anderen Betroffenenrechten zu den Grundlagen der Unmittelbarkeit des europäischen Grundrechteschutz.

In seinem Urteil (Urteil vom 5. Februar 1963, NV Algemene Transport- en Expeditie Onderneming van Gend & Loos gegen Niederländische Finanzverwaltung, C-26/62, ECLI:EU:C:1963:1) verankert der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die unmittelbare Wirkung des Rechts der Europäischen Union (EU). Das Urteil besagt, dass das EU-Recht nicht nur Verpflichtungen für die Mitgliedstaaten der EU, sondern auch Rechte für Einzelne hervorbringt. Einzelne können daher von diesen Rechten Gebrauch machen und sich vor nationalen und europäischen Gerichten direkt auf das EU-Recht berufen, unabhängig davon, ob eine Prüfung nach nationalem Recht vorliegt (d. h. wenn es nach nationalem Recht keinen Rechtsbehelf gibt).

Damit ist es zulässig sich innerhalb eines Gerichtsverfahrens in einem Mitgliedssaat auf Art. 7, 8 GRCh, Art. 21 DS-GVO und Art. 47 GRCH zu berufen. Hierdurch bildet Art. 21 DS-GVO und Art. 47 GRCH aber auch eine ganz eigenständige ausdrückliche gesetzliche Regelung i.S.d. § 58 Abs. 1 Hs. 2 FamFG, mit der die Anfechtung von Beweisbeschlüssen zulässig ist, wenn mit diesen ein Eingriff durch die Verarbeitung personenbezogener Daten verbunden ist.

II. Begründetheit:

Für eine etwaige Begründung stehen wir gerne zur Verfügung. Hierzu benötigen wir den Beweisbeschluss und ggf. den prozesseinleitenden Hauptantrag.

Wie dem Urteil vom 02.03.2023 – C 268/21 Rn. 43 zu entnehmen ist, müssen bei jeder Verarbeitung personenbezogener Daten, vorbehaltlich der nach Art. 23 DSGVO zulässigen Ausnahmen, die in ihrem Kapitel II aufgestellten Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten sowie die in ihrem Kapitel III geregelten Rechte der betroffenen Person beachtet werden. Insbesondere muss jede Verarbeitung personenbezogener Daten zum einen mit den in Art. 5 der Verordnung aufgestellten Grundsätzen im Einklang stehen und zum anderen die in Art. 6 der Verordnung aufgezählten Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen erfüllen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 2020, La Quadrature du Net u. a., C‑511/18, C‑512/18 und C‑520/18, EU:C:2020:791, Rn. 208 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Permalink zum Urteil: https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=270823&pageIndex=0&doclang=de&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=2113465


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